jahrein jahraus

1965 geboren in Völklingen
1989 Gesellenbrief als Stickerin mit Auszeichnung
1990 Beginn der hauptberuflichen Tätigkeit als Künstlerin
Ich lebe und arbeite in Saarbrücken | Seyweiler

70er

poesie

80er

1965 geboren zu sein, hieß als Jugendliche zu den sogenannten „geburtenstarken Jahrgängen“ zu gehören.
Das hieß auch viele junge Menschen, die auf eine begrenzte Zahl von Ausbildungsplätzen kamen. Anfang bis Mitte der achtziger Jahre verhielt es sich so, und ich gehörte zu denen, die suchten, aber vorerst nichts fanden.
Ein Handwerk sollte es auf jeden Fall sein. Gold, Metall oder Holz sollte zum Werkstoff werden, den ich bearbeiten wollte. Doch weder Goldschmied, Schreiner oder wer auch immer fand sich, der einen Ausbildungsplatz zu viel hatte.
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Vier Jahre dauerte die vom Jobben begleitete Suche, bis mir jemand den Tipp gab, einmal bei der Stickerin Dorothea Zech in Heusweiler anzufragen.
Ich schrieb eine Bewerbung, hörte erst einmal nichts und nahm die Kehrtwendung zurück zur Schule.
Hier kam der „genialste Zufall meines Lebens“ gerade recht.
Am Tag, an dem ich mich für das Abendgymnasium einschreiben wollte,
meldete sich Dorothea Zech und vom nächsten Tag an hatte ich eine Lehrstelle.
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Mitten hinein in einen Auftrag für ein großes gesticktes Wandbild war der Beginn der Lehre gefallen,
so dass ich unter den Bedingungen des künstlerisch-handwerklichen Ernstfalls ihren Beruf lernte.
Doch blieb die Frage, wie ich nun die Fäden sticken sollte? „Wie’s kommt“, sagte Dorothea Zech.
Sticken, das wäre noch festzuhalten, ist hier nicht verstanden als Kreuzstich im Dienste der Herstellung von Tannenzapfen oder Blumengebinden. Wenn schon sticken, dann mit Werkstoffen der Natur selbst.
Mit Haaren und Knochen.
Doch bis es soweit kam, war die Lehre bei Dorothea Zech eine Vorschule, die einer saarländischen Tradition folgte.
Die an der Schule für Kunst und Handwerk und später an deren Nachfolger, der Staatlichen Werkkunstschule, vermittelte Grundlehre wirkte auch hier nach.
Dorothea Zech hatte sie als Absolventin der Schule in ihrer Arbeit verinnerlicht, was bedeutete, dass Strukturen, Abstufungen der Helligkeiten, grafische Verläufe, die den Dingen eigen sind, hier den Vorzug vor dem Abbild der Dinge haben.
Die Dinge selbst sind es, die hier an den Eigenschaften zwischen fein und breit, hell und dunkel, punktuell oder gradlinig sich vorstellen.
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90er

Dorothea Zech gab dieses Wissen an mich weiter.
Es war nichts weniger als die Professionalisierung der Neugier, jedes Material, so wie es kommt, zu bearbeiten.
Und damit in einer je eigenen Handschrift. Denn auch diese Möglichkeit steckte im Satz „wie es gerade kommt“ drin:
Es so zu machen, wie es einem wichtig und notwendig ist.
Drei Jahre Lehrzeit und ein Jahr als Mitarbeiterin des Ateliers von Dorothea Zech
führten mich 1990 in die Selbständigkeit.
Eigene Handschrift, eigenes Atelier und erste Ankäufe bestätigten mich in diesem Schritt.
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„Ich mache. Ich bin Handwerkerin“..
Immerhin es gäbe da noch die Bezeichnung „Textilkünstlerin“ und natürlich „Stickerin“.
Doch eine solche im klassischen Sinn bin ich längst nicht mehr.

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Das Handwerk ist die notwendige Grundlage, um über es hinaus zu neuen Formen zu kommen.
„Ich bin Handwerkerin.“
Keine Künstlerin und vor allem nicht nur „die mit den Teebeuteln“.
Die Arbeiten fielen vor ein paar Jahren auf, als ich die bräunlich gegerbten Vliesstoffe wachste, bestickte und der leichte Stoff wie eine Tierhaut aussah.
Das Material zu wandeln, so dass Blätter und Kokosfasern auf einmal wie ein Raupengetier schienen.
Tierische Fundstücke wie Entenschädel und Rippenknöchelchen erhielten im Gegenzug eine besondere Schönheit zurück,
die ihnen als Teil des Tierkörpers, verstanden als Beutestück oder Fleischlieferant niemand bislang gewährte.
Als Stickerin ehre ich sie, indem ich mit ihnen arbeite.

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Kein Zierrat zu sticheln, kein güldener Spruch in Leinen zu sticken, kein Abbild der Dinge nachzustellen, ist mein Beruf.
Es sind die Dinge selbst, die ich aufgreife, um mit ihnen zu arbeiten.
Welche es sind?
Wie es gerade kommt.
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